4. Weiterentwicklungen der Block 2 - Konfiguration
4. 1. Block 2 A
       Die NASA entschied im Februar 1997, mit der Block 2A-Konfiguration
       eine Zwischenkonfiguration zu fliegen, da technische Ursachen die Einführung der weiterentwickelten
       Hochdruck-Wasserstoff-Turbopumpe verzögerten. Die Ergebnisse der Brenntests der neuen
       Hauptbrennkammer (Large Throat Main Combustion Chamber - LTMCC) waren jedoch so gut
       (Verminderung des Flugrisikos), daß die NASA die Brennkammer so rasch wie möglich
       einführen wollte. Es dauert weniger als ein Jahr von der Entscheidung bis zur
       Einführung in den Flugbetrieb.
       Der Erstflug eines Block 2A-Triebwerkes (SN - 2043-2A) erfolgte mit der
       Raumfähre Endeavour am 22. Januar 1998 auf der Mission STS-89. Insgesamt wurden 14
       Triebwerke (Seriennummern 2043 bis 2056) in der Block 2A-Konfiguration gebaut, die später
       zur Block 2-Konfiguration umgerüstet werden sollten. Die Triebwerke waren nicht komplett
       neu gebaut worden. Vielmehr wurden zahlreiche Komponenten früherer Generationen
       verwendet.
       Die hauptsächliche Neuerung im Block 2A war die Hauptbrennkammer mit weiter Öffnung
       (Large Throat Main Combustion Chamber - LTMCC). Vorschläge für diese Verbesserung
       machten Rocketdyne-Ingenieure bereits im September 1980.
       Die vorgeschlagene Brennkammer hatte jedoch trotz der vergrößerten Schubleistung einen
       entscheidenden Nachteil: der spezifische Impuls verminderte sich, so daß ein Großteil der
       verbesserten Leistung wieder aufgehoben wurde. Es bestanden auch Bedenken hinsichtlich der
       Stabilität des Verbrennungsprozesses. Daher wurde seinerzeit diese Neuerung
       zunächst auf Eis gelegt.
       18 Jahre später, bei Einführung der neuen Brennkammer in den Flugbetrieb, fielen dann bei
       der Herstellung der LTMCC durch die Verwendung vollständiger Gußformen für Ein- und
       Auslaß-Krümmer 50 Schweißnähte, von denen 28 als kritisch eingestuft worden waren, weg.
       Diese Gußformen reduzierten auch die Herstellungs- und Montagezeiten
       und erhöhten die Produktqualität. Der Wartungsaufwand verminderte sich signifikant.
       Der Auslaßkrümmer und -röhre wurden nun außerdem aus einem Material
       hergestellt, das gegen Einflüsse des Flüssigwasserstoffs nicht anfällig ist. Dieses neue
       Material ließ das sonst übliche Verfahren der Auskleidung mit Kupferplatten überflüssig
       werden. Das neue Design der Hauptbrennkammer verbesserte die Kühlung um 10 %, verbesserte
       die Haltbarkeit der Brennkammerwandung und erhöhte die Sicherheitssielbreite des Triebwerksbetriebes
       um mehr als 7 %. Der Wartungsaufwand wurde signifikant reduziert. Es sollen nunmehr 10 Flüge
       bis zum nächsten Wartungstermin vergehen.
       Die LTMCC ist um 11 % weiter als das Vorgängermodell und vermindert den Druck in der
       Brennkammer um 1.862 kPa.,  verdoppelt dadurch die Zuverlässigkeit des
       Systems.  Das Triebwerk lieferte 104,5 % Schub im Normalbetrieb bei um 6 % verminderten
       Systemdrücken in den Hochdruckpumpen und der Brennkammer. Testläufe der LTMCC im Full Power
       Level (109 %), die ab 1988 in Santa Susana stattfanden, zeigten eine Verminderung der Drücke
       und notwendigen Temperaturen in den beiden Hochdruck-Turbopumpen um bis zu zehn Prozent.
       Durch die verminderten Systemdrücke sank auch die Leistungsanforderung an die
       Hochdruck-Wasserstoff-Turbopumpe um 3.000 PS. 1992
       konnten dann die Zweifel an der Stabilität des Verbrennungsprozesses in der neuen Brennkammer
       beseitigt werden. Wie erwartet reduzierte sich der spezifische Impuls um 1,4 Sekunden.
       Insgesamt absolvierte die LMTCC während zahlreicher Brenntests 100.000 Sekunden Brenndauer.
       
       Parallel zur Neuentwicklung der Brennkammer wurde notwendigerweise andere
       Triebwerkskomponenten weiterentwickelt. So wurde die Ausstrombahn der
       Niederdruck-Wasserstoff-Turbopumpe verändert, um den richtigen Treibstofffluß zu
       gewährleisten. Die Leistung der Niederdruck-Sauerstoff-Turbopumpe wurde den niedrigeren
       Druckerfordernissen im Sauerstoffsystem angepaßt. Hier wurden auch die metallischen Lager
       der Turbine durch Keramiklager ersetzt. Durch Verbesserung des Maininjektors konnten 0,4
       Sekunden des verlorenen spezifischen Impulses zurückgewonnen werden. Der Injektor erhielt
       eine leckagefreie Dichtung, die keine Grenzschichtkühlungsöffnungen hat. Stattdessen
       wurden Kühlungsöffnungen an den Wasserstoffeinlässen des Injektors installiert.
       Desweiteren wurden Spülungs-Kontroll-Ventile und die Controller-Software verbessert.
       Um den restlichen verlorengegangenen spezifischen Impuls zurückzugewinnen, wurden die
       Triebwerke für 104,5 % Leistung zertifiziert (offiziell jedoch weiter als 104 %
       bezeichnet). In Notfallsituationen können diese Triebwerke bis 109 % Leistung liefern.
       Das triebwerkabhängige Steigflugrisiko betrug bei Block 2A-Triebwerken
       1 in 999 Flügen.
       Der letzte Flug von Block 2A-Triebwerken erfolgte am 1. März 2002 mit der Raumfähre
       Columbia auf der Mission STS-109, nachdem 49 Triebwerksflüge stattfanden.
4. 2. Block 2
       Die neuentwickelte Hochdruck-Wasserstoff-Turbopumpe ist die
       hauptsächliche Neuerung der Block 2-Konfiguration der Triebwerke. Ursprüglich war
       der Beginn der Testphase 1996 und der erste Einsatzflug im September 1997 geplant.
       Durch zahlreiche Verzögerungen, einschließlich der Explosion und Zerstörung eines
       Triebwerks während eines Brenntests im Januar 1996, verzögerte sich der Zeitplan.
       Die Brenntests begannen im Oktober 1999 und waren im Mai 2000 beendet. Nach einem
       Design Certification Review wurden die Triebwerke im September 2000 zertifiziert.
         Der Erstflug erfolgte am 12. Juli 2001 mit der Raumfähre
       Atlantis auf der Mission STS-104. 
       Die weiterentwickelte Hochdruck-Wasserstoff-Turbopumpe verbessert die Flugsicherheit,
       Lebensdauer, Wartung und Triebwerksleistung. Die ausgedehnte Anwendung neuartiger
       Gußformen reduziert die Anzahl der Schweißnähte um 387. Die Auskleidung der
       Treibstoffflußwege mit Metallblechen war nun nicht mehr erforderlich. 
       Das Rotor-Lagerungssystem ist eine wesentliche Verbesserung. Das neue Design erhöht
       die Belastbarkeit und vermindert die Hitzeentwicklung an den rotierenden Elementen.
       Die neuen Kugellager sind aus Silikon-Nitrid-Keramik hergestellt. Die Silikon-Nitrid-Kugeln
       sind 30 % härter und 40 % leichter als Stahlkugeln. Die Kugeln haben eine hohe
       Wärmeleitfähigkeit und speichern daher die Wärme nicht sehr lange. Gleichzeitig dehnen
       sie sich nicht allzu stark aus und generieren weniger Eigenwärme. Das geringere
       Eigengewicht reduziert zusätzlich die zentrifugale Belastung. Die Schmierung der
       Kugellager erfolgt über Teflon-Einsätze im Kugellagergehäuse. 
       Im Vergleich zu früheren Konfigurationen wurden synchrone Vibrationen um den Faktor 2
       bis 4 reduziert. Der Disk/Schaft-Rotor aus einem Stück und die robusten Lager sorgen
       dafür, daß der Rotoraufbau gegenüber Zerstörungen oder Imbalancen sehr tolerant ist.
       
       Auch das Design der Turbinensektion zielt auf eine lange Lebensdauer der Teile in der
       heißen Sektion ab. Die Lebensdauer der Rotorblätter ist durch dünne, thermostabile
       Folien verbessert, die den raschen Temperaturübergängen bei Start und Abschaltung der
       Triebwerke widerstehen können. Verbesserungen der Operabilität umfassen kürzere
       Trocknungszeiten der Rotorlager, die Eliminierung der Nutzung von Materialien mit
       Flüssigluft zur Isolation wie bei den Niederdruck-Turbopumpen sonst üblich und die
       verminderten Grenzwertparameter der Triebwerke. Die neuen Turbopumpen sind zwar um
       300 kg schwerer als bisher, verdoppeln aber deren Zuverlässigkeit.
       Weitere Verbesserungen des Block 2-Triebwerkes wurden am Haupttreibstoffventil
       vorgenommen.
       Block 2-Triebwerke benötigen signifikant weniger Wartung als frühere
       Konfigurationen. Inspektionen der Hochdruck-Turbopumpen könne mit Endoskopen (sog.
       Boroskopen) und Drehmoment-Tests der Rotoren erfolgen. Daher entfällt die Notwendigkeit
       der Demontage zwischen den festgelegten Wartungsintervallen. Der Zeitraum zwischen
       diesen Inspektionen soll 10 Flüge betragen. Die Wartungszeit vermindert sich um
       57 %.
       Der Schublevel im Normalbetrieb beträgt für die Block 2-Triebwerke 104,5 %. Die
       Triebwerke sind bis zu einem Schublevel von 106 % zertifiziert, jedoch für Schublevel
       bis 109 % ausgelegt. In Brenntests haben sie ihre Funktion bis zu 111 % Schublevel
       bewiesen.
       Die Triebwerkssicherheit hat sich mit Einführung der neuen Turbopumpen und der LTMCC
       gegenüber den Phase II-Triebwerken verdoppelt. Das triebwerkabhängige
       Steigflugrisiko beträgt bei Block 2-Triebwerken 1 in 1.283 Flügen.
       Nach dem Erstflug und einem weiteren Einzelflug auf STS-108 fliegen seit STS-110
       am 8. April 2002 nur noch Block 2-Triebwerke.
Quellen:
Worlund, A.L. und J.H. Hastings: Space Shuttle Main Engine Evolutions, 2001
Jue, F. und F. Kuck: Space Shuttle Main Engine Options for the Future Shuttle, 2002
Jue, F.: Space Shuttle Main Engine - Thirty Years of Innovation,
Carr, B.A.: New Space Shuttle Engines will use Ceramic Bearings for Safety and Riliability, 2001
Space Shuttle Program 2000 Annual Report - MSFC
 
     
      
      
letztes Update: 17. April 2005, 19:20:11