Main Propulsion Test Article - MPTA

Bei dem sogenannten Main Propulsion Test Artikel handelte es sich um eine Vorrichtung zur Testung eines Triebwerks-"Clusters", d.h. von drei Haupttriebwerken zur gleichen Zeit und in gleicher Anordnung und realer Größe, wie sie auch im Triebwerkskompartment der Raumfähren zu finden ist. Bedeutendstes Ziel war es, die Berechnungen der Ingenieure hinsichtlich des Schubverhaltens zu überprüfen. Die Einheit erhielt vom Hersteller, der Firma Rockwell, die Serienbezeichnung '098', daher MPTA-098.

Der erste Meilenstein der MPTA-Geschichte war am 26. Juli 1972 die Vertragsunterzeichnung durch die NASA und Rockwell International zur Herstellung dieses Testaggregates. Am 24. Juni 1977 wurde der fertige MPTA-098 an das National Space Technology Laboratory (NSTL) im Hancock County, Mississippi (heute Stennis Space Center) ausgeliefert und dort mit dem MPTA-Außentank (MPTA-ET) verbunden. Der erste Betankungstes des Außentankes mit flüssigem Sauerstoff und Wasserstoff erfolgte am 21. Dezember 1977. Am 21. April 1978 fand schließlich der erste Brenntest des MPTA mit drei Triebwerken (SSME No. 2002, 0006 und 2001) statt.

Der Hauptantriebstestartikel (MPTA-098) bestand mit bestimmten Ausnahmen aus Bauteilen in Originalgröße der Raumfähren und in einer Konfiguration, wie sie später während der Flüge eingesetzt wurde. Er beinhaltete einen Heckaufbau des Orbiters mit einer Gerüstanordnung, die den mittleren Orbiteranteil simulierte und einer kompletten Schubstruktur der Space Shuttle Main Engines einschließlich aller elektrischer und Rohrleitungssysteme (Schema: NASA via Jenkins). Die Isolierung des Außentanks entsprach nicht den Fluganforderungen. Das Hydrauliksystem wurde durch ein Bodenenergiesystem anstelle des eigenständigen Energieversorgungssystems (Auxiliary Power Unit - APU) versorgt. Anstelle von Flugcomputern wurde das Shuttle Avionics Test Set verwendet. Der Teststand wurde zur Aufnahme der Energie, die durch den Triebwerksschub erzeugt wurde, verstärkt. Hardware, die nicht flugtauglich war, wurde zur Spülung des Frachtraums in das Triebwerkskompartment hinein, für Betankung, Bodenanschlüsse und einige Konsolen der Teststandausrüstungen verwendet.

Die Lieferung der Triebwerke für den MPTA erfolgte am 23. Juni, 8. und 14. Juli 1977 (20).

Die Brenntests fanden in der Zeit vom 21. April 1978 bis 17. Januar 1981 im heutigen Stennis Space Center, Mississippi statt. Insgesamt wurde drei Tests ohne Triebwerkszündung und 12 statische Brenntests absolviert, von denen sechs über die volle geplante Dauer liefen. Desweiteren erfolgten entsprechende Betankungstests des Außentankes. Die statischen Brenntests wurden sooft wiederholt, bis die Vorgaben erfüllt worden waren, d.h. ein statischer Brenntest konnte aus einer Serie von Einzelbrenntests bestehen, wie z.B. 4 Brenntests im Rahmen des Static Firing SF 6.
Insgesamt fanden 20 Brenntestversuche statt, um die Anforderungen zu erfüllen. Brenntestabbrüche traten während der gesamten Testdauer statt, wobei die Häufigkeit nach Abschluß der sechsten Testserie geringer wurde. 26 Countdowns fanden im Testzeitraum statt, davon 14 während der ersten sechs Brennversuche. Bei 12 Tests traten Wasserstofflecks im Triebwerkskompartment auf, davon zwei mit hohen Leckageraten.
Nach der ersten Serie von vier Brenntests wurden die Triebwerke, die noch mit den zuerst entwickelten Turbopumpen liefen, ausgetauscht. Danach kamen Triebwerke mit verbesserten Turbopumpen, die modifizierte Turbinenblätter und modifizierten Aufbau der Komponenten beinhalteten, zum Einsatz. Außerdem wurden die anfangs verwendeten Stummeldüsen mit einem Expansionquotienten von 35 : 1 gegen Flugdüsen mit 77 : 1 ausgewechselt (400).
Die Schwere einiger Testversagen zeigte deutlich, wie hoch das Risiko von Triebwerkstests ist und wie wichtig derartige Tests sind, um Fehler aufzuspüren und zu korrigieren und somit dem Auftreten dieser Fehler während des Flugbetriebes vorzubeugen. So traten zum Beispiel bei 9 Brenntests Brände auf. Acht dieser neun Fehler beruhten auf Unstimmigkeiten im Triebwerk. Vier der Brände waren typisch für Lecks des Haupttreibstoffventils nach Brennschluß der Triebwerke. Ein Brand führte zu ausgedehnenten Zerstörungen an der Hardware. Zwei Brände außerhalb des Triebwerkskompartments führten zu starken Zerstörungen des MPTA und des Teststandes, insbesondere der Meßinstrumente.

Die wichtigsten Ergebnisse zur Erhöhung der Zuverlässigkeit, Sicherheit und Leistung, die durch die MPTA-Testungen erzielt wurden, waren

  • 1. nichtfunktionierende Designs und Prozeduren wurden korrigiert und danach erneut überprüft,
  • 2. funktionierende Designs und Prozeduren, zu denen Korrekturen vorhergesehen worden waren, wurden getestet und die Korrekturen durchgeführt.

In jeder Testserie wurden zahlreiche zu korrigierende Probleme festgestellt und gelöst. Die folgende Tabelle stellt beispielhaft einige der wichtigsten zu lösenden Probleme dar, die nach dem Betankungstest am 21. Dezember 1977 auftraten. Nach den folgenden Brenntest waren 30 - 40 solcher zu lösenden Probleme keine Seltenheit.

  • Überprüfung der LH2-Füllstand-Sensor-Funktion während der Betankung und Reparatur des Sensors. Überprüfung der Notwendigkeit einer Redundanz.
  • Bestimmen der Ursache der fehlerhaften Funktion des Ausschalters der LH2-Rezirkulationspumpe #2
  • Bestimmen der Anforderungen an ein Reservesystem für die Einleitung gasförmigen Heliums für die Funktion des LO2-Antigeysirsystems
  • Bestimmen der Systemanforderungen und Reaktivierung der Notenergieversorgung für die Main Engine Controller
  • Aufstellen von Ingenieurlösungen zur Verbindung des Spürsystems für gefährliche Gaskonzentrationen des Kennedy Space Centers mit dem LH2-Lüftungssystem
  • Durchführung spezieller Tieftemperaturtests von eigenständigen LO2- und LH2-Ablaßventilen sowohl unter Verwendung magnetischer Stellsysteme als auch der existierenden druckkontrollierten Stellsysteme und Empfehlung von Verbesserungen, die zur Erhöhung der Ventilleistung führen
  • Bestimmen der Notwendigkeit zum Wechsel der Probenleitung am Boden des LH2-Tanks von 0,32 auf 0,64 cm Durchmesser oder größer, um eine Entnahme von Proben aus dem Tank zu ermöglichen und Spülprozeduren zu überprüfen(77).

Wie bei den Brenntests der einzelnen Triebwerke traten auch beim MPTA einige schwerwiegende Probleme auf. Am 2. Juli 1979 wurde der MPTA-098 bei einem Brenntest erheblich beschädigt als ein Treibstoffventil des Triebwerks 2002 brach. Die Triebwerkstestungen wurden zwei Monate später wieder aufgenommen, jedoch versagte eine HPOTP nach 9,7 Sekunden eines für 510 Sekunden geplanten Testes. Es dauerte bis zum 17. Dezember 1979 bis ein kompletter Brenntest mit 3 Triebwerken bei 100 % Leistung für 554 Sekunden absolviert werden konnte.

Am 17. Januar 1981, drei Monate vor dem geplanten Erstflug STS-1, absolvierte der MPTA-098 einen erfolgreichen Brenntest über 625 Sekunden. Jenkins (92) berichtete von einem Brenntest der drei Triebwerke der Raumfähre Columbia vor dem Erstflug im MPTA. Dafür finden sich jedoch keine erhärtenden Beweise! Die Angaben wurden in der folgenden Auflage (3) geändert, waren aber in der Zwischenzeit von zahlreichen Websites übernommen worden.

Die Brenntests deckten auch Fehler auf, die zu einem späteren Zeitpunkt im Entwicklungsprozeß zu ernsthaften Konsequenzen geführt hätten. Zum Beispiel wurden Design und Herstellungsmethoden verändert, um die Freisetzung großer Wasserstoffmengen bei strukturellem Versagen der Hauptwasserstoffventile zu verhindern. Designveränderungen zur Verhinderung des Durchbrennens der Wasserstoffvorbrenner wurden ebenso eingeführt wie assoziierte Änderungen der Triebwerkssoftware zur Erleichterung des automatischen Vorventilschlusses bei allen Fehlfunktionen. Bei manchen Fehlfunktionen wurde der manuelle Ventilschluß bis zu dem Zeitpunkt verzögert, wo die Vorventilunterstützung ernsthaft zu versagen drohte. Softwareveränderungen korrigierten diese Anomalie. Desweiteren wurden die Entladeprozeduren für Sauerstoff aus dem Außentank korrigiert, um gefährliche Druckwellen innerhalb der Teststandhardware zu vermeiden. Durch die Test zeigte sich die Notwendigkeit der Installation von Startrampenzündern zur Verbrennung von freigesetztem Wasserstoff während des Triebwerksstarts.

Die Tests des Triebwerkssystems als Ganzes im Rahmen der MPTA-Brenntests führte dazu, daß

  • notwendige Daten zur Überprüfung des Triebwerksmodells bereitgestellt werden konnten und dadurch die Zuverlässigkeit der Systemanalysetechniken verbessert werden konnte
  • Raumfähren- und Teststandhardware sowie Prozeduren für Treibstoffladevorgänge, Treibstoffsicherung und Triebwerksbetrieb integriert werden konnten
  • Grenzen des Triebwerksdesigns bestimmt, Grenzwerte des Triebwerksbetriebes etabliert, Prozeduren und Zeitpläne entwickelt sowie extrapolierte Kriterien während des Triebwerksentwicklung bestätigt werden konnten
  • potentielle Risiken für katastrophales Flugversagen, Beschädigung der Raumfähren und Startrampen identifiziert werden konnten.

Im einzelnen resultierten folgende verbesserte Prozeduren aus den Brenntests des Main Propulsion Test Articles:

  • Integrierte Tests überprüften die Funktionen des Versorgungssystems bei Druckspitzen und -abfällen sowie Resonanzen
  • Mischung von inkompatiblen und gefährlichen Substanzen in Flüssigkeitssystemen wird vorgebeugt
  • Verunreinigungen werden durch sensitive Systeme ausgeschlossen
  • reale Umgebungsverhältnisse, Triebwerkszustände und -designs werden simuliert
  • während der Subsystem- und Systemtests werden Grenzwerte aufgezeigt
  • Testpläne und -ergebnisse sind vollständig dokumentiert
  • für die Teststände werden Leitungen aus rostfreiem Stahl verwendet
  • im Teststand werden Wasserstoff- und Sauerstoff-Vorventile verwendet, sicheres Abschalten der Triebwerke wird durch Schließen der Vorventile während eines Subsystemtests vor den triebwerkstests demonstriert
  • es erfolgt eine thermische und Umgebungskontrolle der Triebwerkskomponenten, um Eisbildung, Verlust der Schmierung und Ansammlung gefährlicher Gaskonzentrationen zu verhindern
  • eine Notfallenergiequelle sichert das Abschalten der Triebwerke im Falle eines Energieausfalls des Teststandes
  • Vorsorgliche Bereitstellung von Druckentladung, Fließumleitung und Kontrollmechanismen während des Herunterkühlens, Vorrichtungen gegen plötzliche Druckentladungen während des Treibstoffladevorgangs werden in die Versorgungsleitungen des Teststandes integriert
  • wirksame Detektoren und Meßsysteme für gefährliche Gasansammlungen und schnellreagierende Leckagedetektoren werden für das integrierte Brenntests und Vorstartoperationen verwendet
  • Brandmelde- und Brandschutzsysteme und Spülungen der Kompartimente werden beim statischen Testprogramm verwendet und werden auf ihre Tauglichkeit für die Startrampen getestet
  • Hitzefluß wird an der Raumfährenbasis gemessen, um den relativen Anteil von konvektiver und Strahlungswärme zu bestimmen
  • peinlich genaue Planung, Training und Arbeitsüberprüfung werden während der integrierten Brenntests durchgeführt (77).

Heute befindet sich der Außentank des MPTA im Marshall Space Flight Center in Huntsville, Alabama, wo er mit dem Shuttle-Simulator "Pathfinder" im U.S. Space & Rocket Center ausgestellt ist. Der MPTA-098 befindet sich im Stennis Space Center in Mississippi.


Der MPTA wird in den Teststand gehoben (Photo: NASA)


Nahansicht des Main Propulsion Test Articles (Photo: NASA via Capdevila)


Die drei MPTA-Triebwerke sind installiert. Hier noch mit Schutzcover versehen (Photo: NASA)


Die Cover sind entfernt, die Triebwerke bereit zum Brenntest      (Photo: NASA via Capdevila)


Während eines Brenntestes. (Photo: NASA)


(Photo: NASA via Capdevila)


Während eines Brenntestes. (Photo: NASA aus 91)

Quellen: 61, 62, 63, 77, 80, 81, 91, 400



letztes Update: 13. August 2006, 13:11:43